Abschluss

Es gibt Menschen, die pendeln so frei durchs Leben als würden sie von nichts gehalten. Die können ganz locker die Stadt, den Job, den Freundeskreis wechseln. Ist doch nichts dabei und super einfach. Wenn es nicht mehr geht, lässt man los und startet etwas Neues. Ich finde das einerseits faszinierend und andererseits unheimlich. Faszinierend, weil ich irgendwie nicht so bin. Zumindest in vielen Punkten nicht. Und unheimlich, weil es mir zeigt, dass man sich bei keinem Menschen in seinem Umfeld sicher sein kann, dass er nicht plötzlich verschwindet und alle Brücken abbricht.

Für mich sind Sicherheit und Beständigkeit ziemlich wichtig. Wenn ich mich zwischen den Stühlen befinde oder wichtige Entscheidungen anstehen, dann gerate ich in einen Zustand dauerhaften Drucks. Mich ergreift dann eine immense Versagensangst, die sich auch durch rationales Denken nicht eindämmen lässt. Ständig ist der Gedanke daran, dass ich irgendwie mein Leben auf die Reihe kriegen muss, im Vordergrund. Bloß nicht in eine Situation kommen, die es mir schwer machen könnte. Denn gerate ich aus dem Tritt und stolpere, wer fängt mich dann auf? In meinem Leben bin ich schließlich allein für alles zuständig.

Diese Eigenschaft ist vermutlich einer der Gründe dafür, dass ich relativ schlecht loslassen kann. Dass ich mich über die Maßen verantwortlich fühle für Dinge, mit denen ich oft nur am Rande etwas zu tun habe. Das bezieht sich besonders auf die Arbeit. Rational weiß ich, dass ich jederzeit durch jemanden ersetzt werden kann und dass ich nicht unentbehrlich bin. Und selbst wenn ich total unzufrieden bin, halte ich noch an dem fest, was mich unglücklich macht. Oft viel zu lange. Das Thema kommt zwischen mir und meinem Vater öfter mal auf und jedes Mal sagt er mir: „Du weißt ja, wie du da bist. Du brauchst einfach lange, um die Dinge für dich abzuschließen.“ Ja, damit hat er recht. Aber wenn es so weit ist, dann merke ich es immer überdeutlich.

Gerade ist wieder so ein Punkt in meinem Leben erreicht. Ich habe mich lange an etwas geklammert, das nicht mehr in der Form existiert, die mir so gut getan hat und mit der ich mich wohl gefühlt habe. Das Ende der Fahnenstange ist für mich erreicht. Ich merke es daran, dass ich mir kein Bein mehr ausreiße. Daran, dass mir so ziemlich alles egal ist und es für mich keinen Unterschied mehr macht, ob man noch mit mir spricht oder nicht. Die Außenwirkung ist mir wurscht, mir kommt alles überflüssig und zäh und ätzend vor. Wenn man lange versucht hat, an der Situation etwas zu ändern und es einfach nur immer schlimmer wird, dann ist man wohl einfach durch mit der Sache. Also Sachen packen und auf zu neuen Ufern. Auf verbrannter Erde wächst ja erstmal nichts, da muss halt ein anderes Feld bestellt werden.

Ein schlechtes Gewissen habe ich dennoch. Ich kann nicht einfach aus meiner Haut. Aber es wird zum Glück größtenteils in Schach gehalten von einer lauten Stimme in mir, die mich anschreit: „Hör auf, das Leben anderer über deins zu stellen!“ Und das versuche ich jetzt mal.