Wochenende

Vor vielen Jahren habe ich einer für mich sehr wichtigen Person mal gesagt, wie traurig ich es finde, dass sie so wenige Freunde hat. Und dass ich mir nicht vorstellen könnte, irgendwann auch mal so wenige Leute um mich zu haben. Damals war ich umgeben von Menschen. Ich war oft unterwegs, um jemanden zu treffen und konnte mir keine Realität vorstellen, in der das nicht mehr so sein würde. Heute, fast zwei Jahrzehnte, mindestens eine mittelschwere Depression und eine Angsterkrankung später, sieht die Welt anders aus. Das, was ich mir mal gewünscht habe, ist nicht eingetroffen. Was ich mir für mein Leben vorgenommen hatte, ist in weite Ferne gerückt. Und die meiste Zeit verbringe ich allein.

Bevor das falsch verstanden wird: Es ist nicht per se schlecht, allein zu sein. Ich bin gern allein, ich kann mich ganz gut mit mir selbst beschäftigen und bin zufrieden damit, nur mit den Katern zu sprechen. Nur manchmal frage ich mich, ob es das jetzt war und ob es immer so sein wird bis ich irgendwann in die Kiste springe. Ja, keine besonders positiven Gedanken, aber sie sind durchaus valide wie ich finde. Manchmal fühle ich mich wie ein kleiner Korken, der im weiten Meer zwischen ein paar Flößen herum dümpelt. Ab und zu schlägt der Korken mal gegen ein Floß, das bekommt davon aber nicht wirklich was mit und schon ist er wieder abgetrieben und vergessen. Meine Freunde und meine Familie, die sind in ihren eigenen Verbünden ein Floß. Sie sind Paare, Familien, zusammengehörige Einheiten und ich bin nur ich und gehöre nirgendwo dazu. Ich habe es nicht geschafft, eine Partnerschaft aufrecht zu erhalten. Ich lebe weit entfernt von meiner Familie. Ich versuche mich nicht zu sehr bei meinen Freunden einzuklinken, weil sie ihre eigenen Familien und Partnerschaften haben und kein fünftes Rad am Wagen brauchen. Ich muss immer irgendwie vorsichtig sein, damit ich nicht zu viel bin, aber gleichzeitig muss ich auch aufpassen, dass mir niemand zu nah kommt, damit ich nicht verletzt werden kann. Das ist sehr anstrengend und raubt Kraft, weshalb ich Zeit zum Auftanken brauche und auch das resultiert dann wieder im Alleinsein.

Ich mag es nicht, mich so zu fühlen. Auf der einen Seite möchte ich mehr Kontakt zu Menschen, auf der anderen Seite ist mir das zu viel und ich will nicht bedürftig an jemandes Rockzipfel hängen. Mein Therapeut hat gesagt, es ist okay, ambivalent zu sein im Fühlen und im Denken. Dass jeder Mensch immer ein wenig von allem ist und dass es gut so ist. Wenn das gut ist, warum ist es dann so anstrengend?

In letzter Zeit mag ich die Wochenenden nicht mehr. Sie sind sinnlos und leer und fühlen sich nicht gut an. Ich tue nichts anderes als das, was ich jeden Tag tue: darauf warten, dass ich wieder arbeiten muss. Wie traurig ist das, bitte? Aber kann ich mich dazu aufraffen, etwas Sinnvolles in meinem Leben zu tun? Nein. Auch das schaffe ich nicht. Also doch nur warten. Auf irgendetwas oder auf irgendwen und dabei den Schmerz darüber verdrängen, dass nichts so ist, wie ich es mir mal vorgestellt habe.

Wie ich schon sagte, ist es nicht schlecht, alleine zu sein. Doch wann ist der Punkt erreicht, an dem man einsam ist? Und an dem man vor lauter Einsamkeit wieder in eine Depression fällt? Bin ich dort schon angekommen? Funktioniere ich gerade nur noch, weil ich es muss? Oder ist mein Leben eben einfach so und ich muss es akzeptieren, um damit wieder klarzukommen? Ich sollte das für mich herausfinden und zwar bald.

3 Gedanken zu „Wochenende

  1. Ich finde es stark, so ehrlich mit der eigenen Situation umzugehen.

    Wenn du schreibst, dass du dich nicht zu sehr einklinken möchtest, muss ich daran denken, wie viele in meinem Umfeld es schwierig finden, Freundschaften zu finden oder in der Intimität zu pflegen, wie es eigentlich gewünscht wird. Ich Frage mich dann, ob die meisten sich nicht über ein stärkeres Einklinken viel mehr freuen würden. Weil der eine Partner vielleicht auch nicht gerne ins Kino geht oder der andere nicht zockt.

    Das mit der Ambivalenz und dem Ruhebedürfnis kann ich gut nachvollziehen, das macht es natürlich nicht leichter.

    Ich wünsche dir alles Gute!

    • Wenn ich eines gelernt habe, dann meinen Blick ehrlich und analysierend auf mein Leben zu richten. Selbst wenn ich nicht gut darüber reden kann, was leider viel zu oft vorkommt, hilft mir das Schreiben, besser damit zurecht zu kommen. Es ist mein Ventil und es hilft. Ich danke dir für deine Worte, ich bin mir auch relativ sicher, dass es schon irgendwie laufen wird. So war es immer und so wird es immer sein. ☺️

  2. In einem Verbund zu leben, gibt noch keine Gemeinschaft, habe ich schmerzhaft erfahren und erfahre es immer noch. Da draussen sind Menschen, die nur darauf warten, dir unter seltsamen, aber ausnahmsweise glücklichen Umständen zu begegnen. Ich hoffe, du triffst sie bald.

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