ich bin valide

Ich weine nicht oft, erst recht nicht wegen Dingen, die mich selbst betreffen. Videos von ausgesetzten oder gequälten Tieren oder solchen, die von netten Menschen gerettet wurden, bringen mich sehr schnell zum Heulen. Viele andere Dinge lassen mich relativ kalt und was mich selbst angeht, vergrabe ich die meisten Gefühle irgendwo ganz tief in mir drin. Heute ist es nach langer Zeit mal wieder aus mir heraus gebrochen.

Eigentlich ist alles gut, auch wenn meine Arbeitssituation vielleicht etwas besser sein könnte. Aber ich verdiene ganz gut. Ich bin bis Ende des Jahres in Lohn und Brot und versuche mich in der derzeitigen Firma intern weiter zu bewerben. Das Problem ist, dass es sich bei den Jobs, die vakant sind, um Positionen handelt, die ich gar nicht mehr einnehmen wollte. Nach vielen Jahren, in denen ich mich für die Arbeit und die Firma aufgerieben habe, möchte ich eigentlich nicht mehr hoch flexibel und immer einsatzbereit sein. Persönliche Assistenz bedeutet immer auch ein Stück Aufgabe des eigenen Lebens. Okay, da ist bei mir jetzt nicht so viel vorhanden, dennoch möchte ich es gerne schützen.

Nach einem Vorstellungsgespräch vor etwa zwei Wochen hatte ich ein extrem schlechtes Gefühl und das ist durch gewisse Ereignisse in den letzten Tagen leider auch nicht besser geworden. Ich habe die Befürchtung, dass ich wieder versuche, die Erwartungen von anderen Menschen zu erfüllen und gar nicht genau weiß, was meine eigenen Vorstellungen und Erwartungen sind, weil ich einfach nicht genug in mich hinein horche. Aber vielleicht möchte ich gerade auch einfach nur den Kopf in den Sand stecken und bin überfordert mit allem, was an Handlungen von meiner Seite aus kommen müsste. Und eigentlich wollte ich diese Empfindungen mit niemandem teilen, habe aber den Fehler gemacht, es doch zu tun. Und schon habe ich wieder feststellen müssen, dass meine Emotionen nicht valide zu sein scheinen. Ja, ich bin ein bisschen merkwürdig in meinen Gedankengängen. Ja, ich tendiere zu Schwarzmalerei. Nein, ich bin nicht mutig. Und ich finde es nicht besonders schön, wenn mir abgesprochen wird, das alles auch sein zu dürfen. So bin ich, das ist auch okay. Ich bin nicht die ganze Zeit über so, aber es gibt Bereiche, da trifft das eben alles ganz genau zu. Und wenn ich merke, dass es nicht nur gerade alles zu viel ist, sondern mir auch gesagt wird, dass es eigentlich nicht so viel sein dürfe, weil ich alles einfach nur anders sehen müsse, dann fange ich halt doch endlich mal an zu weinen. Es wäre schön, wenn das helfen würde, meinen Kopf klar zu kriegen. Tut es leider nicht. Aber daran bin ich bereits gewöhnt. An die Wahrscheinlichkeit, dass ich in den mindestens 25 Jahren bis zu meiner Rente wohl möglich immer und immer wieder mit dieser Unsicherheit im Job konfrontiert werden könnte, habe ich mich noch nicht gewöhnt. Und auch nicht an den gedanklichen Rattenschwanz, der da dran hängt. Ich bin ein wenig traurig und auch wenn ich gar nicht erwarte, dass man immer versteht, was in meinem Köpfchen vor sich geht, so würde ich mir wünschen, dass man mir zumindest zugesteht, meine eigenen wirren Empfindungen zu haben. Kann auch sein, dass man das tut, es fühlt sich nur gerade nicht danach an. Und was ich jetzt mit dem ganzen Wust mache, der vor mir liegt, weiß ich auch noch nicht.

Am Freitag muss ich eine Art Testaufgabe im Zuge des Bewerbungsprozesses lösen. Die Aufgabe bekomme ich per Mail zugesendet und habe dann eine Stunde Zeit, um sie zu lösen. Das ist so eine fiese Situation für mich, weil es um eine Bewertung meines Könnens und irgendwie auch meiner selbst geht. Damit kann ich nicht gut umgehen und mein Imposter-Syndrom tanzt da leider sehr wild Tango. Jeder wird merken, dass ich eigentlich gar nichts drauf habe, dass ich im Grunde nicht mal für die Arbeit geeignet bin, die ich jetzt gerade verrichte. Zumindest erzählt mir das eine Stimme in meinem Kopf mit voller Überzeugung. Wenn ich keine ausreichende Leistung bringen kann, welchen Wert habe ich dann noch? Das ist ein ziemlicher Trigger für mich und in den letzten Tagen ist die Panik wieder ein Dauergast bei mir. Der vorherrschende Impuls ist, die laufenden Bewerbungen zurückzuziehen und mich außerhalb des Unternehmens anderweitig umzusehen. Allerdings ist das mein typischer Fluchtreflex bei Situationen, die ich nicht einschätzen kann oder die mich überfordern. Und ich wollte doch nicht mehr weglaufen. Das kostet gerade nur so immens viel Kraft und ich weiß nicht, ob ich die habe.

Wie immer wird alles irgendwie weitergehen. Es gibt keinen Stillstand, selbst wenn man das noch so gerne möchte.

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