De Zoch kütt… nicht.

Ich werde oft gefragt, warum ich kein Auto besitze. Ob ich denn keinen Führerschein hätte? Doch, den besitze ich. Zwar bin ich lange nicht mehr Auto gefahren, aber das ist vermutlich wie Radfahren und man verlernt es nicht. Als ich noch regelmäßig fuhr, war ich eine gute Autofahrerin und mir hat das auch immer Spaß gemacht. Nur war es halt finanziell nie drin, mir einen Pkw anzuschaffen. Und wozu auch? Es gibt immerhin den öffentlichen Nahverkehr und gerade in Großstädten nutze ich den viel lieber als mich selbst auf die Straße zu wagen. Man kommt schneller voran, ist entspannter und die monatlichen Kosten sind auch niedriger.

Ich sage es gleich dazu: Das war meine Sicht der Dinge, bevor ich im Jahr 2013 von Hamburg nach NRW gezogen bin. Hamburg hat ein wirklich gutes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln und bis heute denke ich noch oft mit Wehmut daran zurück. Ich war davon ausgegangen, dass es in NRW ähnlich gut sein würde, denn immerhin befinden wir uns hier in einem Ballungsgebiet, aber zu meiner Überraschung traf ich auf eine ÖPNV-Vollkatastrophe. Pendeln hat mir nie wirklich etwas ausgemacht, auch innerhalb Hamburgs bin ich teilweise über eine Stunde mit den Öffis gefahren, um zur Arbeit zu kommen. Aber dort war man wenigstens kontinuierlich unterwegs und hat nur selten mit hohen Verspätungen und kompletten Ausfällen zu tun gehabt.

Nun wohne ich an einem der meistbefahrenen Schienennetze Deutschlands und man sollte meinen, dass dies entsprechend gut gewartet und ausgebaut wird, aber der erfahrene Pendler in NRW weiß bereits, dass dem nicht so ist. Verspätungen, Ausfälle, Baustellen, Oberleitungs- und Weichenschäden und viele weitere Ärgernisse sind hier fester Bestandteil des täglichen Arbeitsweges. Außerdem sind viele Anschlüsse nicht aufeinander abgestimmt, was teilweise Wartezeiten ergibt, die einem die Tränen in die Augen treiben. So kam es, dass mein Arbeitsweg bis vor kurzem dank Umstiegszeiten nicht „nur“ 45 Minuten betrug sondern ganze 90 Minuten. Pro Strecke. Da kann man schon mal zwei Spielfilme am Tag schaffen. Die Streamingdienste und mein Handyanbieter freuen sich.

Vor etwas mehr als einer Woche bin ich umgezogen. Raus aus den Bergen, ab an den Rhein. Nun lebe ich genau zwischen zwei Großstädten, die Anbindungen sind super, meine Fahrtzeiten reduzieren sich. Eigentlich. In der Nachbarstadt wird der Bahnhof umgebaut, das wird noch einige Monate in Anspruch nehmen, daher ist die Strecke gesperrt und man ist auf den Schienenersatzverkehr angewiesen. Der muss sich selbstverständlich durch den Berufsverkehr quälen, daher erhöhen sich die Fahrtzeiten. Unter 90 Minuten bis zum Büro läuft daher wieder nichts, besser mal 120 Minuten veranschlagen. Immerhin haben sich die Fahrtkosten um knapp ein Drittel reduziert. Man muss die positiven Dinge sehen.

Der öffentliche Nachverkehr ist eine tolle Sache. Wenn man ihn denn vernünftig nutzen kann und sehr viel Zeit mitbringt. Zu hohe Erwartungen sollte man vielleicht nicht stellen, da könnte eine Enttäuschung folgen. Ich freue mich auf den Tag, an dem das Schienennetz gut ausgebaut und Busanbindungen sowohl in der Stadt als auch auf dem Land im ausreichenden Maß vorhanden sind. Ob ich den ohne Zuhilfenahme von Kryotechnologie und dem Fortschritt der modernen Wissenschaft jemals erleben werde, ist allerdings fraglich.

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