Raus aus dem Game

Heute Morgen habe ich die letzte noch auf meinem Handy verbliebene Dating-App gelöscht. Ich hatte vorher gar nicht groß darüber nachgedacht, ob ich das tun wollte oder nicht. Die Entscheidung kam wie aus dem Nichts angeflogen und ich dachte nur: „Stimmt, das möchte ich jetzt machen.“ War nicht schlimm, nicht kompliziert, kein Ziepen, kein Nachbluten.

Eigentlich habe ich das Dating-Game in den letzten fünf Jahren auch nicht wirklich ernst genommen. Da war nie ein Punkt, an dem ich mir dachte, dass nun aber unbedingt ein neuer Partner fällig wäre. Für ein paar Monate gab es jemanden, aber auch das war nach genauerer Betrachtung eher larifari und hat null gepasst. Und dass ich mich köstlich darüber amüsiert habe, wie das zu Ende ging, zeigt auf jeden Fall, dass ich emotional nicht wirklich involviert war. Ist aber auch okay. Besser so als ein Herz wie ein Schaschlikspieß.

Will man mit Dating-Apps wirklich Erfolg haben, müssen wohl einige Faktoren zusammenkommen. Vor allem braucht man entweder viel Glück oder man muss seine Schlagzahl in Bezug auf Chats und Treffen wesentlich erhöhen. Ersteres war mir nicht vergönnt, für zweiteres fehlen mir Lust und Bereitschaft. Ich bin wohl wirklich eher altmodisch gestrickt und kann nicht gut damit umgehen, Leute in einer App kennenzulernen, die schon mit der Vorannahme arbeitet, dass hier ein potentieller Kandidat für eine Beziehung oder wenigstens für Sex in deinen Posteingang gesurft kommt. Ich mag das nicht, das setzt mich auf eine unangenehme Art unter Druck, weil ich die vermeintliche Erwartungshaltung der Männer hinter jedem Satz spüre. Nicht schön.

Außerdem nervt es mich unglaublich, bereits nach kürzester Zeit in Richtung irgendwelcher sexuell gearteter Themen dirigiert zu werden. Nein, Franz, ich möchte nicht, dass du mir ein Pimmelbild schickst. Nein, Gabriel, es hat dich einfach nicht zu interessieren, was für Unterwäsche ich trage und warum. Nein, Michael, ich schicke dir keine anzüglichen Fotos von mir. Und nein, Philip, ich möchte nicht wissen, dass du den Nachmittag damit verbracht hast, auf dem Sofa „Fünf gegen Willi“ zu spielen. Solche Themen sind der Grund dafür, warum ich Gespräche sehr schnell abbreche. Ich bin nicht prüde, aber wenn ich jemanden erst fünf Minuten kenne beziehungsweise mit ihm chatte, dann halte ich es für unangebracht, ohne jegliche Motivation mit so etwas um die Ecke zu kommen. Ich finde das respektlos und falls ich vorher Interesse an der Person hatte, hat sich das schlagartig erledigt. Und ich frage mich: Bin ich die Einzige, die so empfindet? Haben Männer so viel Erfolg mit dieser Tour, dass sie es eiskalt jedes Mal durchziehen? Ist es das wichtigste Thema auf der Welt, ob eine wildfremde Frau gerne „Hoppe Hoppe, Reiter“ spielt oder nicht? Was ist denn aus Gemeinsamkeiten, Hobbys, Zielen fürs Leben geworden? Scheint so, als habe ich einen Trend verpasst, den ich weder mag noch verstehe.

Mir ist das alles zu anstrengend. Ich bin zu müde dafür und mag jetzt auch nicht mehr. Es gibt in meinem Leben wahrlich andere Dinge, um die ich mich lieber kümmere und für die ich meine Ressourcen gerne einsetze. Wenn ich alles, was mich in irgendeiner Form belastet und mir gerade zu viel ist, so leicht aus meinem Leben entfernen könnte, dann würde ich es tun. Kann ich aber nicht, darum muss nun halt das Online-Dating-Game dran glauben und das ist gut so.

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